Rittergut Gärtitz - Historisches um Döbeln
Döbeln / ist eine Stadt auf der Meißnisch-Osterländischen Gräntze / 7 Meilen von Leipzig / und 6 von der Residenz-Stadt Dreßden / und zwar an der Freybergischen Mulde etwas in einem Thale gelegen / von welcher Sie auf beyden Seiten gleich einem Eylande umbflossen wird. Sie ist rund umb mit einer starcken Mauer umbgeben / und mag in alten Zeiten vor eine gute Festung mit pasliret seyn / wie denn der noch bis itzo auf dem Schloßberge befindliche teulichte oder runde Thurm davon Zeugniß abstatten tan / welcher der Guarnison zu einer Warte gedienet / auf welcher für alle Avenuen oder Wege nach der Stadt bestreichen / und sehen können / was darnach zukomme ; wie man denn dergleichen Thürme oder Warten im Saal-Kreyß unterschiedene / in specie aber eine vor Quedlinburg antrifft / welcher dem Döblischen so ähnlich siehet / als ob sie von einem Meister nach einem Model auffgeführet worden. Das Schloß oder Burg / so auff gedachten Berge gestanden / ist ganz und gar ruiniret , und man findet im Nachgraben noch die rudera von den Gebäuden und Mauern ; also das nichts als der ledige Berg übrig / welcher denen Tuchmachern ihre Tuche trocknen / denen Schul-Knaben aber ihre Spiele darauff zu halten / gar bequem fället.
Vormahls hat die Stadt ihre eigene Herren gehabt / itzo stehet sie unter Ihro Churfl. Durchl. von Sachsen / und wird von einem Rath / welcher aus 3 Burgermeistern und 9 Rathsherren bestehet / regieret. Die Kirche ist schön / inwendig mit treflichen Stühlen / Emporkirchen / Altar / Cantzel und Orgel ausgezieret / und von aussen praesentiret sich ihre Höhe / und der von Quadersteinen herumbgeführte Gang über alle massen / zumahl da man voriges Jahr den obersten Thurm gantz neu renoviren lassen. Dessen größte Zierde aber werden die 12 Apostel geben / welche man / dem Berichte nach / in die ledigen 8 Fächer über der Schellen / zu mahlen gedencket. Der Gottesäcker sind zwey / einer vor den Oberen der andere vor dem Nieder-Thore / auff welchen letzteren eine recht artige Kirche stehet. Der Spital / so ebenfalls eine besondere Kirche / hat reiches Einkommen / davon die Armen in selbigen unterhalten werden ; das Lazareth ist besonders / woselbst man ebenfalls Krancke / Arme und Nothleidende versorget.
Alle Donnerstage ist MarcktTag / auf welchen insbesondere vieles Korn verkaufet / und meistens von den Oberländern abgeholet wird ; so findet man wohl auch einen Auerbachs Hof / nicht aber Kostbarkeiten / sondern gute Töpfe und Schüsseln darinnen /aus welchen itziger Zeit ein Gericht Steinbeisser / oder noch besser ein Gerichte Schmerlen sehr wohl schmecken / als die in den fliessenden Wassern gefangen werden. Die Döblischen Tuche / noch mehr ihre Hüte / sind weit und breit berühmt / und finden sie in Leipzig bey der Meß-Zeit sonderlichen Abgang.
Umbher ist es eine von Gärten / Auen / Feldern / Bergen und Wasser sehr lustige und fette Gegend / daß also Döbeln mit Recht den Ruhm von Philipp Melanchton verdienet / sie sei Sumen Misniae. (Eine Schmalzgrube des Meißner Landes.)
aus:
Peter A. Lehmann: Historische Remarques der neuesten Sachen in Europa. 1700